Birgit Schlechtriemen - Weibsbilder

Weibsbilder

 
 
 
 
Faserstift auf Papier 42 x 29.7Faserstift auf Papier 42 x 29.7

Die Künstlerin und Kuratorin Elvira Reith hielt am 16.07.10 folgende Einführungsrede
zur Ausstellung “Weibsbilder” im GULLIVER in Köln.
– Ausstellung vom 16. 7. – 15. 9. 2010

Liebe Gäste, liebe Kunstfreunde, liebe Birgit,

Ich begrüße Sie ganz herzlich zur Ausstellung “Weibsbilder” der Kölner Malerin und Zeichnerin Birgit Schlechtriemen.Dies ist die 37. Ausstellung und die erste, die sich expliziert mit dem Themenkomplex “Frau-Sein”, dem Bild der Frau in unserer Gesellschaft beschäftigt.

Das Thema “feministische Kunst” war ganz aktuell in den 70er Jahren – und auch eng mit politischen Forderungen verknüpft. Seither hat sich die Gesellschaft derart verändert, und auch das Frauenbild hat sich rapide gewandelt. Für viele ist die Anpassung der Frau an die “Männerwelt”, die Emanzipation gelungen. Sie profitieren von der Beschleunigung in unserer Gesellschaft, sie verdienen ihr eigenes Geld, sind unabhängig, erziehen – in neuen Partnerschaften mit “neuen Vätern” – ihre Kinder, aber: sie müssen immer mehr und immer schneller arbeiten. Effizienz ist das Zauberwort, die sie an die Grenzen ihrer Belastbarkeit bringt. Was geht verloren?

Sehnsüchtig schaut man auf die verlorene Spiritualität, die verlorenen Kräfte. Hat auch Eva – als Sinnbild – vertrieben aus dem Paradies, endgültig verloren? Wie kommt nun eine Künstlerin wie Birgit Schlechtriemen dazu, sich dem Thema “Weiblichkeit” zuzuwenden?

Zunächst: sie ist eine Frau und hat sich vor allem mit einer Vorreiterin und einer Wegbereiterin der feministischen Theorie beschäftigt, mit Gerda Weiler. Das Interesse, in die Tiefe zu gehen, den ganz ursprünglichen Menschheitsspuren, dem Matriarchat, den ersten Göttinnen nachzuforschen, war ein starker Impuls, in ihrer Arbeit, der mit diesem Bildzyklus abgeschlossen wurde. Immer wieder ist sie auf neue Erkenntnisse, neue innere Bilder, gestoßen, die sie in ihre Zeichnungen und Bilder übersetzt hat.

“Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar” hat der Maler Paul Klee einmal gesagt.

Auch für Birgit waren diese Arbeiten große und kleine Reisen ins Unbewusste. Das Unterbewusstsein, ein großes Thema, auch für den berühmten Psychologen und -Analytiker – C. G. JUNG. Die Sehnsucht ist allen inne, die Sehnsucht nach der Suche von archaischen inneren Bildern, die zu kollektiven Bildern geworden sind und die in allen von uns schlummern. Je tiefer man diese Spurensuche nach den inneren Bildern betreibt, je mehr Schichten man in sich freilegt, so wie an einem archäologischen Ausgrabungsort, um so ursprünglicher, um so einfacher, karger und klarer wird die Bildsprache. Diese starke Bildhaftigkeit und Naivität – auch entlehnt aus den Welt-Kulturen der u.a. Ägypter, der Griechen, des Orients, der Asiatischen Welt oder des Mittelalters, des Christentums, sie ist es, die Birgit Schlechtriemen immer wieder angeregt hat, die innere Reise mit leeren Papier und Zeichenstift anzutreten.

Die Welt wächst zusammen und die Sehnsucht nach einfachen klaren Zeichen, nach klaren Bildmustern, auch. Die Kultur der Tarotkarten und zur Zeit die Welle der Tatoos, sind da Bespiele. Die geheimen Zeichen eines entfernten Indianerstamms finden sich plötzlich im Schwimmbad auf dem Arm einer blonden Frau. Das kollektive Bildgedächtnis multipliziert sich um ein Vielfaches.

Was hat es nun mit der Bildsprache von Birgit Schlechtriemens Bildern auf sich?

Es ist auch das Motiv nach dem Retten-Wollen und Bewahren der Welt. So hatte das ganz frühe Göttinenbild ganz viel zu tun mit Abwehrkräften, dem Bewahrenden, dem Beschützenden der Natur, dem Erhoffen einer guten Ernte. So steht die Träumende, für die Einheit des Menschen mit der Natur. Sie trägt die Ganzheit des Natürlichen und Geistigen in sich. Die Schlange symbolisiert die Weisheit, die das Wissen um das zyklisch prozesshafte Wachsen des Menschen meint. Das Herz, ein wichtiges Symbol des Mittelalters, die verspielten Ornamente, das Verschlungene, viele kleine Anspielungen und Versatzstücke, die einerseits den Weg in vergangene Bildsprachen ermöglichen – aber durchaus ganz unmittelbar auch aus der Gegenwart entspringen, z.B. die Betonung der Wimper.

Neben ihr Die Kämpfende, sie spiegelt das männliche Seelenbild der Frau wider. Der Kampf bedeutet hier das Einstehen für das MENSCHLICHE. Das Schwert symbolisiert die Urteilskraft das Handeln nach der Frage: Nützt es den Menschen? Mit diesen beiden großen Bildern hat Birgit Schlechtriemen diesen Bildzyklus, zu dem noch viele kleinere Arbeiten gehören, abgeschlossen.

Das Feuerkind, zeigt die Wut eines Mädchens, das die Welt in Flammen setzen könnte. Immer noch hat sich der Menschheitstraum von einer friedlichen Welt nicht erfüllt.

Auch das Manga-Mädchen, mit Versatzstücken aus dem japanischen Comics, schaut kindhaft fragend mit großen Augen in diese Welt. Wird sie jenseits des Konsumrausches das Bewahrende, Beschützende und auch das Geheimnis der Frau, das Mystische, in die nächste Generation retten können? Denn die Welt hängt am seidenen Faden. Die Naturkatastrophen dieser Tage belegen das. Ob Frauen sie retten können???

Das Bild: Das Naturparadies meint einen Zustand von Ganzheit, in dem es noch keine Spaltung von GUT UND BÖSE gibt – die kleine Figur schwebt in einem angstfreien geborgenen Zustand.

Hart konfrontiert – hier im Gulliver – von den Gepäckstücken des Alltags, mitgeschleppt von den Menschen, die ihr Leben auf der Straße wahrlich nicht als Naturparadies empfinden, und doch ihr Leben meistern müssen.

Beschäftigt hat sich Birgit auch mit dem “inneren Kind”, einem neueren Symbol für unsere Verwundbarkeit, unsere Angst, Verletzlichkeit, vor allem mit dem zurückgewiesen werden. Es steht für unsere Sehnsucht nach Liebe, nach Anerkennung, nach der Bestätigung.

Die Vorliebe zum Zeichnen und skizzieren kommt vielleicht auch durch ihre Ausbildung, sie hat Architektur und Stadtplanung studiert und sich später als freiberufliche Künstlerin in die grafische und malerische Richtung weiterentwickelt. Aktzeichnen, Figürliches Zeichnen betreibt sie ganz regelmäßig.

Sie unterrichtet auch und betreut verschiedene freie Zeichengruppen in Köln.

Die Kunst, nun alle diese Dinge aufzugreifen und in eine Bildsprache zu übersetzen, ist Birgit Schlechtriemen gelungen.

DIE FARBE BLAU, wirkt hier sehr eindringlich und ist mit Sicherheit sehr selten in dieser Kombination zu finden – sie entfaltet hier – durch den starken Kontrast zum Gelb – eine eigenwillige Dynamik. überhaupt ist der Bildraum oft musikalisch aufgebrochen, wie im Bild “LOVE YOU”, hier wandert die Frau zwischen den Städten. Zu sehen sind Architekturandeutungen, der Bezug zu Köln erkennbar, den Fernsehturm, oder einfach nur Buchstaben, ganz klein steht da “Berlin” und die VOGELFRAU als kreatives Luftwesen, dazwischen, das sich bewegt zwischen den vielen kleinen Bild-Elementen. Die Farbigkeit ist offen und einladend.

In Ihren intuitiven Zeichnungen lässt sie ihrer Hand freien Lauf, anhand dieser sehr freien Zeichnungen sieht man, dass die Handzeichnung – Akt, Figur zu ihrem routinierten Handwerkzeug gehört. Die Zeichnungen sind verspielt, haben in ihrer Reduziertheit eine hohe Aussagekraft, bei näherem Betrachten wirken sie fast wie ein zartes Relief, weil sie oft noch einmal ausgeschnitten und auf ein neues Blatt gebracht sind.

Es gibt viele Möglichkeiten, die Welt zu erklären, auf Sinnsuche zu gehen.

Die bildende Kunst ist eine der viel versprechenden Möglichkeiten, sie ist nicht so schnelllebig und dadurch gewinnt sie an Bedeutung.

Ich freue mich, über diese ungewöhnliche Ausstellung hier im Gulliver, die über die Sommermonate hoffentlich viele Besucher über ihre eigenen Wurzeln und

Wünsche nachdenken lässt.