Transformation |
Der folgende Text wurde von der Kunsthistorikerin Beate Kowol verfasst und von ihr anläßlich der Ausstellung in der Friedenskirche in Köln 2005 vorgetragen. Worum geht´s? Es geht um Transformation: In jedem Menschen gibt es eine Kraft, sich zu verändern und das bewusste und unbewusste Verlangen, vollständig zu werden (analog zu Platons Suche nach der andere Hälfte) Was bedeutet hier Transformation? Per Definition bedeutet Transformation: Wandel, Veränderung, von einem Zustand Z 1 zu einem Zustand Z 2 zu verändern (z.B. können sich gegensätzliche bzw. unterschiedliche Zustände zu etwas ganz Neuem entwickeln) LEBEN heißt Veränderung: alles lebt und ist im Fluss (Heraklit: Panta re) Um welche Art der Transformation / Veränderung geht es der Künstlerin Birgit Schlechtriemen? Sie beschreibt in ihren Bildern – wir konzentrieren uns dabei auf Birgits schwarz-weiß Zyklus, der uns hier in 6 Zeichnungen präsentiert wird – zwei Arten der Transformation: Die innere Transformation (den inneren Tod sterben) Zahlreiche Autoren haben dies angedeutet, so Goethe im Faust mit seinem “Stirb und Werde” – “Und so lang du das nicht hast, dieses: stirb und werde, bist du nur ein trüber Gast auf der dunklen Erde” oder Paulus im 1. Korintherbrief 15,31 vom täglichen Sterben spricht. Die Geschlechter-Transformation Das Annehmen des Unbekannten und des Gegensätzlichen; das zu lieben, was wir nicht kennen Das Gegensätzliche zeigt sich nicht nur in den Farben (schwarz-weiss-Polarität), sondern auch in den Formen (zackige-runde Formen) und in den Polaritäten von Wissen und Glauben oder anders ausgedrückt Verstand und Gefühl. Was damit gemeint ist, versuchen wir exemplarisch an den Bildern dieses Schwarz-Weiss Zyklusses näher zu bringen.
Das erste Bild des Zyklus ist die “Illusion”. Zu Beginn ist das Chaos, der Mensch ist nicht klar, der Intellekt bestimmt die Welt und das Denken, aber schon rechts erkennen wir, das im Kopf der Frau eine riesige Kopfblase zu sehen ist: sie erkennt die Illusion von der eigenen Bilder-Welt (Descartes: “Ich weiss, dass ich nichts weiss”) dadurch setzt der Umbruch / die innere Transformation ein Die Frage nach dem Sinn / nach dem letztendlichen Grund der Existenz wird aufgeworfen Der Mensch erkennt eine andere Kraft, auf die das Leben baut Der Mensch erkennt aber auch seine Schattenseiten und somit seine Projektionen und den Kreislauf des Lebens von Entstehen, Blühen und Vergehen Er erkennt den Tod als Teil seines Lebens, als Vorbedingung für die Transformation.
Dieses Motiv der inneren Transformation wird auch im 2. Bild, im “Freudigen Tod” manifest. Links spielt eine Dame auf einem Klavier: sie spielt auf zum Tanz mit dem geistigen Tod – gemeint ist hier allerdings der Tod der Illusion / der eigenen Ansicht von der Welt Der Tod liegt entspannt auf dem Klavier: es geht um den inneren Tod (er ist hier durchaus positiv und konstruktiv gemeint): Tod von alten Vorstellungen es muss innerlich etwas sterben, damit Platz gemacht wird für etwas neues, für die Transformation (Goethe: “Stirb und Werde”) In diesem Bild zeigt sich erstmals das Symbol der Schlange, welches Birgit redundant verwendet: die Schlange (links) steht hier als Symbol für Heilung / Weisheit und Erkenntnis – sie ist doppelzüngig und deutet damit auf das Wissen um die Polaritäten hin
Kommen wir zum 3. Bild – zum Titelbild der Einladungskarte: es heisst “Im guten Geist vereint”. Hier geht es um die Geschlechtertransformation: ir sehen eine Dreier-Konstellation (Triade): links ist eine weibliche reichgeschmückte Gestalt, rechts eine männliche nackte Figur, halb Narr / halb Teufel und in der Mitte als verbindendes Element ist ein Geist dargestellt. Nach der Künstlerin vereinen sich Frau und Mann im rechten Geist, damit gemeint ist die Aussöhnung mit dem anderen Geschlecht, man / frau liebt das Unbekannte, das Anderssein, was man / frau selber nicht hat Alle drei bilden eine Einheit und sind Teil des Ganzen Die überlieferte Rolle des Teufels ist aufgelöst – er hat eine Narrenkappe auf – dies deutet auf eine spielerische Umgangsweise hin : das Gegensätzliche wird geliebt und nicht mehr verteufelt Er hält einen Spiegel mit dem sehendem Auge in der Hand: dies weist darauf hin, dass er als negative Projektionsfläche diente und durch die Innenschau selbst erkannt hat, wer er ist: weder Teufel noch Narr, sondern die Verkörperung des männlichen Prinzips In der Mitte des Bildes offenbart sich das geistige Prinzip mit Menschenkleid: das Gewand zeigt den Fluss des Lebens Geburt und Tod treffen sich in einem Punkt und weisen auf den biologischen Kreislauf des Lebens hin
Wir widmen uns dem 4. Bild – der “Kreislauf des Lebens”. Hier wird die innere Transformation durch das Ei – das Ausbrüten einer neuen Idee dargestellt – Materie und Geist zusammen bilden im Ei den Neubeginn. Das Bild ist in Himmelsrichtungen lesbar: Im Süden beginnt der Einstieg Der Westen versinnbildlicht das Unterwusstsein: das Graben und Wühlen im Unterbewussten; mit dem Käfer lässt Kafka grüßen Der Norden steht für das Denken und die Einsicht und Im Osten erscheint die Welt der Ideen / der Götter
Im 5. Bild – “Die fliegenden Menschen” – zeigt sich das Ergebnis der inneren Transformation im heiteren Fliegen der zwei schwebenden weiblichen Gestalten, die der Materie enthoben sind und aufeinander zu fliegen. Ein heiteres Fliegen dominiert die graue Fläche Die farblichen Gegensätze schwarz-weiss, die symbolisch für die Polaritäten stehen, sind in diesem Bild aufgehoben Das Bild strahlt eine ruhige, freudige Leichtigkeit aus, alles ist im Fluss! Jeder kann fliegen, wenn er vertraut, denn jeder wird getragen von der göttlichen Kraft.
Betrachten wir das letzte 6. Bild “Ruhe” – Auch hier zeigt sich die innere Transformation – allerdings im Abschluß: Hier ruht ein weibliches engelartiges Wesen nach “getaner Arbeit” in der Mitte Die Transformation ist vollzogen Im Schoß der weiblichen Figur sind 3 Symbole zu sehen: links die Rose für die Liebe – alles, was geschieht, sollte aus Liebe geschehen rechts die Kristallkugel für Klarheit und Einsicht und darunter die Schlange für Wissen im irdischen / materiellen Geltungsbereich Rechts steht der Wolf für Erdung und Kampfesgeist, der auch mit widrigen Umständen umzugehen weiss, er ist ein Rudeltier und lebt in Gemeinschaft, kann aber ebenso als Einzelkämpfer seine Zähigkeit und seine Zähne zeigen Links symbolisiert der Vogel Leichtigkeit und kreative Energie. Er zeigt eine spielerische Lebenseinstellung und Freude. Zwei Tiere, zwei Symbole, die für zwei Aspekte in der Seele der Künstlerin stehen: Birgit Schlechtriemen ist gleichzeitig eine Kämpferin und kreative Künstlerin, deren Freude am Leben und am Zeichnen, sich sehr deutlich in diesem Bilderzyklus widerspiegelt.
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